6. Januar 2016

Handwerk zaubert Musik

01/2016 – Portrait über Bernd Ellinger im OVB Oberbayerischen Volksblatt – Handwerk zaubert Musik

Viel Spaß beim lesen!

http://www.ovb-online.de/rosenheim/rosenheim-stadt/handwerk-zaubert-musik-6008435.html

 

Handwerk zaubert Musik

Sorgfalt und ein gutes Augenmaß: Bei der Lackretusche bringt Bernd Ellinger alte Instrumente wieder auf Hochglanz. Lezius-Pratsch

+ Sorgfalt und ein gutes Augenmaß: Bei der Lackretusche bringt Bernd Ellinger alte Instrumente wieder auf Hochglanz. Lezius-Pratsch © OVB 05.01.2016

Präzise und flink flitzt der kleine Hobel über das Stück Ahorn und im Sekundentakt wirbeln die feinen Holzspäne durch die Luft. Rosenheim.

Hochkonzentriert arbeitet Bernd Ellinger an seinem nächsten Meisterstück – einer Geige – und freut sich, mit seinem Handwerk eine Lücke in der Region zu schließen. Er ist Rosenheims einziger Geigenbauer und hat sich mit seiner eigenen Werkstatt einen Traum erfüllt.

– Bernd Ellinger sitzt an der Werkbank und ist ganz in seine Arbeit vertieft. Mit geschultem Auge setzt er das Bildhauereisen an und muss sich beim Skulpturieren der Geigenwölbung sehr konzentrieren. „Als Geigenbauer zu arbeiten war schon immer mein Traum“, erzählt der 37-Jährige und kann sich noch genau daran erinnern, als der Wunsch in ihm reifte.

Mit sechs Jahren bekam der Oberaudorfer Geigenunterricht und spielte fortan, wie sein zwei Jahre älterer Bruder Holger, mit einem Orchester in der Kirche. In den Spielpausen grübelte der wissbegierige Bub, wie denn die Wölbung seiner Geige entstanden sein möge. In der väterlichen Werkstatt durfte er sich an Tüfteleien ausprobieren und so wurde sein Berufswunsch Geigenbauer immer konkreter. Letztendlich fehlte ihm jedoch der Mut diesen Weg einzuschlagen.

Es folgte eine Schreinerlehre, das Fachabitur und eine Ausbildung zum Fachinformatiker. Zwischenzeitlich nahm Ellinger Unterricht in der Viola da Gamba und belegte einen Instrumentenbaukurs. Bei Hagen Schiffler in Laufen setzte er sich intensiv mit dem Bau historischer Streichinstrumente auseinander. Sein Talent war unverkennbar und so absolvierte der damals 26-Jährige die Aufnahmeprüfung für die Geigenbauschule in Mittenwald.

„Ich habe meine Familie zuerst nicht informiert“, erinnert sich Ellinger. Als er dann in die Endrunde kam und zur praktischen Prüfung vor Ort anreisen sollte, ließen seine Eltern ihn voller Stolz ziehen. So tauchte er von 2004 bis 2008 in die Welt der international renommierten Ausbildungsstätte ein und wollte nach bestandener Abschlussprüfung seinen Erfahrungsschatz erweitern.

Jahre in England intensiv und wertvoll

Bei Andreas Augustin in Staufen bei Freiburg verbrachte er seine Gesellenzeit und arbeitete anschließend für über vier Jahre bei Christoph Götting in Michelmersh/England. „Meine wertvollste und intensivste Zeit“, schwärmt Bernd Ellinger, der mit dem angesehenen Geigenbaumeister beim Bau neuer Geigen und Bratschen ein perfektes Team bildete.

2013 zog der Geigenbaubetrieb von Christoph Götting nach Deutschland und so stellte Ellinger die Weichen seiner beruflichen Zukunft. „Ich spürte, dass meine Wanderjahre vorbei sind, wollte mich selbstständig machen“, erläutert der 37-Jährige und widmet sich in der Rosenheimer Werkstatt weiter dem Bau seiner aktuellen Geige.

Dafür wählt er ein spezielles Tonholz aus seinem Bestand aus. Das Stück Ahorn wird er für den Boden, die Schnecke und die Zargen benötigen, zuerst muss er das Stück jedoch halbieren. Aufgrund eines wellenförmigen Wuchses entstehen die sogenannten Flammen, die jeden Geigenboden so einzigartig machen. Er hat wieder Glück, die beiden Einzelteile zeigen ein durchgängiges Flammenmuster. Rund 60 Einzelteile werden sich in den nächsten Monaten zu einem wohlklingenden Instrument vereinen.

Vorher fertigt Ellinger jedoch die Decke aus Fichtenholz, Griffbrett, Wirbel und Kinnhalter aus Ebenholz beziehungsweise Palisander an. Ist alles zusammengefügt, geht es an die Lackierung. „Der Lack hat nichts mit dem Klang zu tun“, erklärt der Geigenbauer. „Vielmehr ist der Holzgrund das Ausschlaggebende. Er entscheidet über Ton, Färbung und Schutz.“ In fünf bis sechs verschiedenen Schichten und Verfahrungstechniken behandelt der 37-Jährige das Instrument und hat im Laufe der Jahre ein spezielles Procedere entwickelt, das bleibt aber sein Geheimnis. „Ich konnte unheimlich viel von Christoph Götting lernen“, schwärmt Ellinger, der bis heute einen intensiven Kontakt zum väterlichen Freund hält.

Bernd Ellinger muss seine Arbeit in der Ladenwerkstatt unterbrechen. Eine Kundin möchte ihren Geigenbogen neu bespannen lassen. Kein Problem für den Fachmann, der sich beim bekannten Bogenbauer Markus Wörz in München weitergebildet hat. Ein weiteres Geschäftsfeld sind die Mietinstrumente, die er von Händlern bezieht und so vielen den ersten Zugang zum Musizieren erleichtert.

„Meine Inspiration sehe ich darin, Musikern das Leuchten in die Augen zu zaubern“, betont Bernd Ellinger und freut sich immer auf diesen ganz speziellen Moment, wenn eines seiner Meisterinstrumente oder ein restauriertes Modell sein Atelier verlässt.

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